zer o_c omments

gleich auf der anderen seite des stubenfensters steht manchmal eines der schafe, die dem onkel gehörten. zum schwein hingegen sind es vier türen. erst in die küche, wo oma adele thront, in ihrer geblümten kittelschürze, auf dem stuhl neben der glatt gesessenen holzbank. weniger wie eine herrscherin sitzt sie dort, mehr wie eine stille dirigentin. seit ihr das gehen schwerer fällt, lenkt sie die acht söhne und töchter mit wenigen plattdeutschen silben durch den raum. zum «teepott», zum herd, durch die tür zur «waschköke». dort steht auf den fliesen eine rätselhafte maschine mit wählscheiben aus bakelit und erblindeten lämpchen. oben eine öffnung, vorn ein grauer, mürber rüssel und «AEG». (nur aus erzählungen weiß ich, dass in diesem kessel aus küchenabfällen das viehfutter gekocht wurde, nachdem die eheleute eine moderne trommelwaschmaschine angeschafft hatten. die maschine hat die oma überlebt.)

von der waschköke leiten türen ins helle und ins dunkle. vom garten fällt licht auf kacheln und durch spinnweben hindurch. kein lichtstrahl gelangt in den «tüffel-keller». dorthin gehe ich nur, wenn es sein muss. da sind weberknechte und staub und erde. aber da steht auch die kiste mit der brause, die so wunderbar künstlich schmeckt und noch im august eiskalt ist. hinter dem dicken glas der vom spülen und rütteln matt gewordenen pfandflaschen scheint ihr rot kostbar wie edelstein.

die größere mutprobe, das ist der gang durch die angrenzende tür. es liegt erst ein vorzimmer dahinter, und ehe du ganz hindurch gehst, lass hinter dir den ausgang lieber einen spalt offen stehen. die luft ist erdig. langsam sehe ich die dinge. die wände sind rau und schwarz. vor mir ein waschbetonbecken mit einem eimer voll kraftfutter. ich tauche meine hand bis über das gelenk hinein. die kleinen stäbchen sind kühl aber sie machen ein warmes geräusch, während sie mir zu hunderten durch die fingerspalten rieseln. ein paar bleiben hängen, in der kleinen faust. mit der freien hand hebe ich den riegel und lehne mich vorsichtig gegen die feuchten bretter der inneren tür. es riecht heiß. erst ist nur ein rascheln zu hören, dann ein tiefes seufzen, ein grunzen schließlich. zu sehen ist nichts außer kondensierendem atem, der von der anderen seite des troges herüberkommt, durch den hohlraum zwischen mir und dem tier quillt. ich werfe schnell das futter hindurch und während ich schon ausreiße blitzt noch kurz etwas runzlige haut auf, borsten, und waren das zähne?

durch die vielen türen zurück und endlich im schutz unter der großen tischplatte, wo der beruhigende sound der erwachsenen herkommt. das gewirr vertrauter stimmen. ihr anschwellen und abschwellen, ihr durcheinandergehen, das gelegentliche hervortreten einzelner silben und das zurückgleiten in den chor. wie brandung. wie die herde schafe vor dem fenster.

... Link (0 Kommentare) ... Comment


um die altenbank im jugendzentrum.

petra hat den schmucken japanophilen geheiratet; sie hält den ring vor meine augen. jan-henning hat bis ende jahr einen artikel zu schreiben, aber bis zum 27. ist weihnachten, und am 28. kommt der besuch aus südafrika («die wollen immer so viel trinken»). jannes' berliner hausprojekt freut sich auf das zweite kind; ob ich «schon professor» sei (sofort abwiegelungsreflex). olas mama hat drei sorten pierogi, borschtsch, gans, ente, kohl und klöße gemacht; bis neujahr gibt es davon die reste. mertas herzlichkeit hält mich von nachforschungen ab. hans' eltern haben dieses jahr auf ein gemeinsames fest verzichtet. gruni ist tot; ob wir noch nicht wüßten; «um den baum gewickelt».

die kleinstadtjugend trägt die gleichen antifa-insignien wie vor fünfzehn jahren. nur die mädchen haben jetzt auch hier riesige brillengestelle vor dem gesicht. wir bestellen kaffee. sie schauen an uns vorbei.

kurzer anfall von leidenschaft, da ich in streit mit einem biologen gerate, in dem ich die verordnung (eg) 244/2009 verteidige; die richtige von der falschen kritik sondere, am ende dinge sage wie, «ich habe ja mit den leuten gesprochen». selbstbildnis als «nahost-experte».

immer noch ist taschen-herrmann da. immer noch kümmert sich irgendwer um ihn, wenn er verwirrt ist oder aufs klo muss. keiner weiß aus erster hand, was in der tasche drin ist, die um seinen hals hängt. darauf angesprochen, dreht er sich einfach um, noch immer.

auf dem rückweg von der toilette drehe ich mich um. einfach so.

... Link (5 Kommentare) ... Comment


aus gründen, die gleich in mehrfacher hinsicht auf sich beruhen sollen, an einen samstag um acht aufgestanden. rasch hinter mir aufgeräumt und das haus verlassen. obwohl es gestern dann doch unnötig halb drei wurde. und obwohl auch der letzte wodka unnötig war. (und der davor eigentlich auch schon.)

kein ziel. die kälte steigt in die hosenbeine und beißt an den fingern. zähe gedanken, klebrige augen. aber das rad schnurrt, die luft tut gut. vage versprechungen liegen darin.

am ufer sind stände aufgebaut. ich denke, ich nehme mein frühstück auf dem flohmarkt: filterkaffee und ein warmes brötchen aus pappe. auf den käse hat pommesbuden-bernd noch sauer konservierte hamburger-gurken gelegt. ich tropfe «ja»-kaffeesahne aus dem einen kartonbehälter in den anderen und schaue mir dabei eine ganze weile zu. ich falte die zeitung auf und lege sie wieder zusammen. (gazastreifen, zwangsvollstreckungen.)

dies ist der schlechte flohmarkt von beiden. ein dicker kerl brummt mit seinem moped eine schneise durch die jetzt dichter werdende menge; im anhänger schwankt ein turm aus schrott. es ist das gleiche zeug, das hier auf tapeziertischen und alten gardinen ausgebreitet liegt. jemand hat sich auf netzteile spezialisiert, ein anderer auf fernbedienungen. «was kostet?» sagt irgendwo ein russischer akzent. «vier» darauf ein anderer. – «drei und nehme ich gleich mit.» – «niemmst du gleich mit!»

drei zierliche japaner interessieren sich für kleine festbrennweiten. «leica» verstehe ich. einer will das objektiv begutachten und zögert, ob er es anfassen darf. man sieht, dass er fragen will, aber nicht weiß, wie. der verkäufer – ein alter mann, der über seiner skihose knieschützer aus plastik trägt, auf dem kopf ein kunstledernes, helmartiges etwas, das unter dem kinn mit einer schnalle verschlossen ist und auf den augen ein nikotinfarbenes kassengestell – spricht betont langsam und sanft. verschreckt entfernen die japaner sich rückwärts. (vielleicht war es das wort «pentax».)

in der bücherei will ich mich aufwärmen. man muss dazu das schnoor durchqueren. die ersten geführten reisegruppen des tages hindurch tastet sich ein unrasierter junge in flanell und jogginghose, die brötchentüte in der einen hand. die frisur könnte auch so gemeint sein. etwas zu ostentativ hält er meinem dreisten blick stand.

... Link (1 Kommentar) ... Comment


Youre not logged in Login