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Die Welt, nach Ansicht meiner Konversationsschülerin: Hinter der europäischen Flüchtlingskrise steckt George Soros, der Asylaktivisten finanziert, die syrischen Flüchtlingen Nachrichten über Twitter schicken, denen zufolge ihnen in Deutschland ein Haus geschenkt werde. Soros' wolle die EU zum Vorteil der vereinigten Staaten destabilisieren. Deutschland rutsche zudem wieder in den Faschismus ab, da Angela Merkel Marc Zuckerberg unter Druck gesetzt habe, Kritik an Syrienflüchtlingen auf Facebook zu zensieren. («It always starts like that.») Dass ich meine Skepsis nicht mehr recht verbergen kann, nimmt sie zum Anlass, sich gegen den von mir gar nicht formulierten (aber offensichtlichen) Vorwurf zu verwehren, sie hänge Verschwörungstheorien an. «I'm just asking who is behind all this.»

Warum ist es für viele so schwer zu akzeptieren, dass manche Dinge einfach passieren? Die soziale Welt ist nicht deterministisch strukturiert.

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Die letzten Gäste sind gegangen; Jules hantiert mit dem Mop, Alexandra zählt die Scheine, Aiko und ich putzen den gläsernen Tresen, in dem die Zutaten drapiert sind, und der Chef schenkt allen Bier ein. In diesem Moment arbeiten Menschen aus fünf Ländern mit sieben Sprachen in einem Raum: Englisch, französisch, spanisch, hindi, arabisch, japanisch, deutsch. Wir haben heute abend alles gegeben und zusammengespielt wie ein Orchester – oder eine Eishockeymannschaft. Als wir anstoßen, kommt mir ein romantischer Gedanke. Wie schade, dass nicht alle Menschen auf dem Globus sich so verbunden fühlen können wie dieser kleine Sushi-Laden auf St. Denis um Mitternacht.

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Zwei Tage Vorlauf müssen genügen. Als ich dem kleinen Chef in der veganen Großküche ankündige, dass ich nicht mehr wiederkomme, beschwert er sich erst wütend, dann moralisch. «After all we've done for you!» Ich denke an den Mindestlohn, an die Überwachungskameras, die 30 Minuten lange Pause, die vom Lohn abgezogen wird, und daran, dass wir unsere Mahlzeiten bezahlen müssen, obwohl wir sie selbst herstellen.

An meinem letzten Arbeitstag hat die Stadt das praktische Loch im Zaun geflickt. Nun bin ich also zum letzten mal den Weg über die Gleise gegangen. Künftig rolle ich stattdessen Hoso- Futo- und Ura-Maki in einem kleinen veganen Sushi-Restaurant auf dem Boulevard St. Denis, mitten im Plateau Mont Royal. Über der Tür fehlt noch immer ein Schild, aber vor den wenigen Tischen stehen die Leute Schlange.

Jobs, auf die ich mich erfolglos beworben habe (Auswahl): Bevölkerungsumfragemitarbeiter für abgeschiedene Regionen, College-Lehrer, Copy-Editor, Support-Mitarbeiter für massively multiplayer online roleplaying games und merkwürdige Internet-Startups, Weihnachtsbeleuchtungsinstallateur, Schornsteinfeger, Zirkusküchenkoch, Untertitelübersetzer, Auftragslehrkraft, Marktstandverkäufer, Buchhändler, Laser-Tag-Game-Master.

Jobs, die ich in den letzten sechs Monaten für mindestens einen Tag ausgeübt habe: Sprachlektor, Großküchenkoch, Konversationslehrer, Videospiel-Tester (Localization), Sushi-Koch, Sonderpostenverkäufer, Bagel-Bäcker.

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