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Donnerstag, 14. April 2016 in montréal

Ich will meiner Mutter die ganze Stadt zeigen. Um mich zu besuchen, ist sie zum ersten mal in ein Flugzeug gestiegen. So viel sind wir zu Fuß unterwegs, dass die Stadtfragmente, die sich in meinen alltäglichen Bewegungsmustern geformt und sedimentiert haben, sich an verschiedenen Punkten zu Mosaiken zusammenfügen. Eines der schönsten Gefühle, die ich kenne, ähnlich dem plötzlichen Begreifen einer grammatikalischen Struktur. (Eine Lernkurve ist in Wahrheit eine Treppe mit wenigen fröhlichen Sprüngen und langen, mühsamen Ebenen.)

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Nachmittags im MAC, in der Ragnar-Kjartansson-Ausstellung. Es geht um Langsamkeit, Wiederholung desselben aber auch um die kleinen Variationen, die dabei entstehen. Es geht um Ausdauer und Langeweile, aber auch um Trance und Transzendenz. Mir gefällt die Videoaufzeichnung eines Konzerts, das the National im MoMa PS1 gegeben haben. Sechs Stunden lang derselbe traurige Song. Melancholie als Wiederholungszwang, als irrer Versuch, das verlorene Objekt festzuhalten. («I don't want to get over you».)

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In einem anderen dunklen Saal neun große Videoschirme. Ragnar und seine «Visitors» verteilen sich über die vielen Zimmer einer fantastischen Villa in den nebelverhangenen Hügeln des Hudson Valley. Im Salon auf schweren Teppichen das Klavier, in der Küche das Schlagzeug, in der Bibliothek vor ledernen Einbänden ein Cello, Ragnar mit Gitarre in der Badewanne usw. Die Musiker sind in ihren verschiedenen Räumen nur per Kopfhörer verbunden. Jedes Bild zeigt einen Teil des Ensembles, die Lautsprecher spielen die entsprechende Tonspur. Aus einer Handvoll von Akkorden und einer einzigen Zeile besteht der Song, ein Loop mit enormer Suggestionskraft. Von Schirm zu Schirm kann ich durch das Haus wandern, zuschauend und -hörend, bis am Ende alle mit ihren Instrumenten hinaus gehen und sich zu einer Prozession vereinigen, die singend und tanzend langsam, langsam in der Ferne verschwindet.

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