zer o_c omments
Mittwoch, 5. Juni 2013 in zwischendinge

ein telefonat am leeren bahnsteig. der wind rauscht so laut in der ohrmuschel, dass ich nur die hälfte verstehe. das ist schon eine menge. das ist schon mehr als sonst.

ich verpasse darüber den zug. bemerke den moment, als er vorbei ist. hast du überhaupt angehalten?

hier oder anderswo ist das gleiche. unterwegs sein ist alles. für einmal nicht warten.

der letzte fernzug, ich weiß nicht mehr, wohin. woran ich mich erinnere: wie ich mich ganz dem übermaß der zeit hingab: noch etwas aus dem fenster schaute und dann noch etwas länger, ein schweres buch las, das nicht gelesen werden musste, mit den reisenden plauderte (in dieser interimswelt zwischen den stationen ist es möglich, dabei einen fremden habitus anzunehmen, eine neue identität zu erproben, ein höflicherer, aufgeräumterer mensch zu sein, wenn einem danach ist). hunger und müdigkeit im zuge dessen – vergessen.

dies ist nicht hamburg – chur. eine stunde ist zu überbrücken. vor der bahnhofsruine verlässt ein taxifahrer seinen wagen, streckt sich, humpelt diagonal über eine rasenfläche und entleert sich im verkehrswegebegleitgrün.

noch einer humpelt, quert die straße an der bushaltestelle («wird derzeit nicht bedient»), schiebt sich mühsam mir entgegen. wegen fünfzig cent, die noch für den fahrschein… (natürlich), die hüftverletzung seit dem gabelstaplerunfall bei der leiharbeit…, der amtsarzt: nicht vermittlungsfähig. berufsunfähigkeitsrente? dazu bräuchte man doch einen anwalt. «ach, wirklich.» was soll man da sagen außer: «tut mir leid»?

seine schuhe, denke ich, müssen noch eine weile halten.

am badeort lärmen presslufthämmer. das meer kostet eintritt. ich esse im gehen pommes frites, warte auf die unvermeidlich wütenden möven, aber nur der wind zerrt an der styroporschale. wo sind die möven?

junge paare tragen funktionskleidung. alte paare tragen pastell und leukoplast. ein männchen, ein weibchen; ein männchen, ein weibchen. so aufgeräumt alles, und so pflegeleicht wie die begrünung. nur irgendwo da hinten ziehen die gezeiten aufs geratewohl furchen durchs watt.

in der nacht träume von begehren und verlust.

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