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Sonntag, 10. April 2016 in montréal

Zwei Tage Vorlauf müssen genügen. Als ich dem kleinen Chef in der veganen Großküche ankündige, dass ich nicht mehr wiederkomme, beschwert er sich erst wütend, dann moralisch. «After all we've done for you!» Ich denke an den Mindestlohn, an die Überwachungskameras, die 30 Minuten lange Pause, die vom Lohn abgezogen wird, und daran, dass wir unsere Mahlzeiten bezahlen müssen, obwohl wir sie selbst herstellen.

An meinem letzten Arbeitstag hat die Stadt das praktische Loch im Zaun geflickt. Nun bin ich also zum letzten mal den Weg über die Gleise gegangen. Künftig rolle ich stattdessen Hoso- Futo- und Ura-Maki in einem kleinen veganen Sushi-Restaurant auf dem Boulevard St. Denis, mitten im Plateau Mont Royal. Über der Tür fehlt noch immer ein Schild, aber vor den wenigen Tischen stehen die Leute Schlange.

Jobs, auf die ich mich erfolglos beworben habe (Auswahl): Bevölkerungsumfragemitarbeiter für abgeschiedene Regionen, College-Lehrer, Copy-Editor, Support-Mitarbeiter für massively multiplayer online roleplaying games und merkwürdige Internet-Startups, Weihnachtsbeleuchtungsinstallateur, Schornsteinfeger, Zirkusküchenkoch, Untertitelübersetzer, Auftragslehrkraft, Marktstandverkäufer, Buchhändler, Laser-Tag-Game-Master.

Jobs, die ich in den letzten sechs Monaten für mindestens einen Tag ausgeübt habe: Sprachlektor, Großküchenkoch, Konversationslehrer, Videospiel-Tester (Localization), Sushi-Koch, Sonderpostenverkäufer, Bagel-Bäcker.

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Mittwoch, 30. März 2016 in montréal

sechs stunden wartezimmer für eine krankmeldung. ein hoch auf den alten bismarck und sein appeasement der sozialisten.

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Dienstag, 29. März 2016 in montréal

Fiese Erkältung. Gestern versucht, trotzdem zu arbeiten. Kann ich nicht, will ich aber vor allem auch nicht. Die Mindestlohnküche verlangt wie viele andere Arbeitgeber hierzulande ab dem ersten Krankheitstag ein Attest und produziert damit absurde Externalitäten. Das sonst eher generöse und bedarfsorientierte staatliche Gesundheitssystem Kanadas deckt das nicht ab, also sind achtzig Dollar aus eigener Tasche fällig; etwa so viel, wie man an einem guten Tag verdient. (Die Stunden sind nicht garantiert, d.h. das Auftragsrisiko wird vollständig auf die Beschäftigten abgewälzt.) Lohnfortzahlung gibt es selbstverständlich auch nicht, also schlägt Krankheit doppelt zu Buche.

Ich bin insofern privilegiert als meine Auslandskrankenpolice vermutlich für den Arztbesuch aufkommt. Die anderen gehen natürlich krank zur Arbeit, so lange sie es gerade noch schaffen. Die Hygiene der Lebensmittel, die wir herstellen, wird das nicht gerade verbessern.

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